Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) by Gerstäcker Friedrich

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) by Gerstäcker Friedrich

Autor:Gerstäcker, Friedrich [Gerstäcker, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-30T00:00:00+00:00


Kapitel 19

Tom Barnwell hatte, wie schon früher erwähnt, seinen unglücklichen Schützling an Bord des ›Van Buren‹ gebracht und gab ihn hier, um aller lästigen Fragen überhoben zu sein, einfach für seine kranke Schwester aus, die er nach Helena zu Verwandten bringen wolle. Marie war dabei durch die vorangegangene Aufregung so erschöpft und angegriffen, daß sie, ohne auch nur die geringste Einwendung dagegen zu machen, alles mit sich geschehen ließ. Die Kammerfrau der Kajüte staunte allerdings, als sie das durch die Dornen und Zweige zerrissene Oberkleid sah, und mochte wohl nach dem stieren, an nichts haftenden Auge der Unglücklichen ihren wahren Zustand ahnen. Doch was kümmerte sich die Mulattin um den Zustand der Weißen? Sie hatte darauf zu sehen, daß ihre Kajüte, nicht das Hirn ihrer Passagiere in Ordnung sei, und sie bereitete ihr deshalb das Lager und überließ sie dann ihren eigenen wilden Phantasien und Traumgebilden.

Der ›Van Buren‹ war ein wackeres Dampfschiff, einer der sogenannten Klipper, die nach St. Louis oder Louisville und Cincinnati einlaufen, gewöhnlich mit einer Tafel vorn, auf welcher die Zeit ihrer Fahrt mit großen, weitscheinenden Ziffern gemeldet wird. In der Tat grenzt auch die Schnelle, mit welcher diese Boote oft ungeheure Strecken, und zwar gegen die starke Strömung des Mississippi zurücklegen, ans Unglaubliche. So rühmte sich der ›Van Buren‹, auf seiner letzten Fahrt von New Orleans nach Louisville, eine Entfernung von 1350 englischen Meilen stromauf, nur eine halbe Stunde länger gebraucht zu haben als die ›Diana‹ – wobei er diese halbe Stunde auf einer Sandbank im Ohio festgesessen haben wollte –, und das war 5 Tage und 23½ Stunden. Der ›Van Buren‹ arbeitete denn auch diesmal gar wacker gegen die steigende Flut an, und hoch und gewaltig tanzten und schlugen die Wogen hinter ihm drein und brachen sich in trübem, gärendem Schaum. In wenigen Stunden hätten sie Helena erreichen müssen; gerade aber an jener schon mehrmals erwähnten runden Weideninsel war der Lotse, der den Ohio vielleicht gut genug kannte, den Mississippi aber zum ersten Mal, und zwar nach seinem ›Navigator‹ befuhr, zu nahe an die kleine Insel geraten und aufgelaufen und konnte trotz des gewaltigen und stundenlangen Arbeitens der Maschine nach rückwärts nicht wieder loskommen. Da sie nun endlich einsahen, daß jeder weitere Versuch nutzlos, die Nacht dagegen eingebrochen war und der Fluß mit jeder Stunde stieg, so hofften sie, mit Tagesanbruch vielleicht von selber flott zu werden, und versuchten deshalb mit der Jolle ans Ufer zu fahren und ein Springtau dort irgendwo zu befestigen. Dies geschah, damit sie, wenn sie wirklich loskämen, nicht wieder mit der Strömung hinabtrieben. Die mit der Befestigung des Taues beauftragten Leute fanden indes ein schwereres Geschäft, als sie im Anfang vermutet haben mochten. Die ganze Insel war allerdings dicht mit Bäumen bewachsen, jedoch nur mit schwachen Baumwollholzstämmen, die kaum ein Flatboot, viel weniger denn ein so schweres Fahrzeug gehalten hätten. An dem äußeren Rande der Insel stand dabei der junge Aufwuchs, lauter Schößlinge der Baumwollholzbäume, die starr und dicht wie Schilf aus dem schon etwas angeschwollenen Mississippi herauswuchsen und dem breiten Bug der Jolle hartnäckig den Eingang verweigerten.



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